[Jan. 2018] SCAA Guided Tour in Galerie Urs Meile

SCAA Guided Tour in Galerie Urs Meile
Time: Saturday 13 January 2018
Place: Rosenberghöhe 4, 6004 Lucerne
Chinesischer Bericht: Qingchuan Yang
Deutscher Bericht: Tian Chiang
Fotografie: Ruizhe Liang
Poster: Tao Wang

Die Galerie Urs Meile lud den SCAA zu einer Privatführung nach Luzern ein. Dort ist noch bis Ende des Monats die Ausstellung Extended Ground zu sehen, eine der seltenen Gruppenausstellungen der Galerie. Karin Seitz, die künstlerische Leiterin der Galerie, und Urs Meile persönlich erzählten den Besuchern von der Entstehung der Galerie, der Beziehung zu China, den Künstlern und ihren Werken. Inmitten der Ausstellung kam es so zu lebhaften Gesprächen.

Urs Meile kommt aus einer Familie von Kunsthändlern und Kunstsammlern. Über Umwege als Hochbauzeichner, Auktionator bei Christie‘s und Papierrestaurator wurde er 1992 zum Galeristen und eröffnete seine Galerie für zeitgenössische Schweizer und Europäische Kunst in Luzern. 1995 wurde Uli Sigg (ein enger Freund Meiles) Botschafter der Schweiz in China. Er lud den Galeristen nach Beijing ein und gemeinsam erkundeten sie regelmässig während vier Jahren die zeitgenössische Kunst Chinas. Damals gab es praktisch keinen Kunstmarkt in China, auch gab es keinen europäischen Markt für zeitgenössische chinesische Kunst. Der Westen interessierte sich nicht für diese Art Kunst, er sah in ihr nur Kopien westlicher Werke. Beispielsweise gab es in China erst 1962 eine Klasse, in der Ölmalerei unterrichtet wurde. Auch die chinesische Periode der Pop-Art Technik wurde im Westen nicht als zeitgenössisch, sondern eher als “fürchterlich” empfunden. (Sogar noch 2000 wurde Urs Meile die Ausstellung an der Art Basel verweigert – inzwischen ist er in der Jury der Art Basel Hong Kong). Dem Westen war nicht bewusst, dass diese Phasen, die durch den späteren Informationszugang entstanden, kein Hinterherhinken, sondern wichtige Meilensteine in der künstlerischen Entwicklung Chinas waren.

Meile machte es sich zur Aufgabe im Westen einen Markt und die Künstler für zeitgenössische chinesische Kunst aufzubauen. Denn was er und Sigg in China vorfanden, war keine “bessere” Kunst, aber es war eine Kunst, die sie durch ihre andersartigen Wurzeln und Mentalität faszinierte und bis heute fesselt.

2000 eröffnete Meile ein Büro in Beijing und baute ein paar Jahre später zusammen mit Ai Wei Wei in Caochangdi sechs Häuser. Dort konnte die Galerie nicht nur ihre eigenen Ausstellungen veranstalten, sondern startete das Artist-in-Residence Programm, bei dem nicht-asiatische Künstler für ein paar Monate in Beijing leben, arbeiten und sich mit der chinesischen Kunst und Kultur auseinandersetzen. Dieses Programm ist ein sehr wichtiges Werkzeug für die Galerie. Als Spielwiese oder auch Versuchsfeld dient es dazu, Künstler genau kennenzulernen, sie zu beobachten und in einem fremden Umfeld zu begleiten. Auch sind verschiedene Handwerkskünste in China noch in hoher Qualität vorhanden und bieten den Künstlern Gestaltungsmöglichkeiten.

Die Führungsweise seiner Galerie beschreibt Meile mit dem Fokus darauf, die Künstler strategisch zu managen. Sie entdeckt junge Künstler und positioniert diese weltweit. Beispielsweise vertritt Meile seit 1997 Ai Wei Wei und machte ihn über die Dokumenta international bekannt. Heute hat die Galerie etwa 30 Künstler, davon fast 70% aus China. Die Bandbreite der Objekte ist sehr gross, da die verschiedenen Künstler zwischen 20 und 80 Jahre alt sind. (Etablierte Künstler wie Tobias Rehberger oder Not Vital zeigt die Galerie nur mit einem speziellen Fokus auf China.)

Die Ausstellung Extended Ground zeigt Kunstwerke junger Künstler (<35), die mit verschiedenen Medien arbeiten. Karin Seitz erläuterte einige der Objekte und eröffnete durch ihre Erklärungen ganz persönliche und überraschende Geschichten der Künstler. Etwas, das wie ein schwarzer Tuscheblock aussieht, ist in Li Gangs Arbeit “The End – 末 2014.07, 2014” in Wirklichkeit ein konzentrierter hochgiftiger Russblock aus den Abgasen seiner Heimatstadt. In dem Video “I have” zählt die junge Künstlerin Cao Yu alles auf, was sie besitzt und haben wird, es spiegelt jedoch eine grosse seelische Leere wider. Die Bauvisiere des Künstlerduos Wittmer&Koenig setzen die Gestelle aus der ur-demokratischen Schweiz mit dem sozialen Realismus des früheren Chinas in Bezug.

LI GANG
The End – 2014.05, 2014
waste materials from the exhaust pipes of the cars and water
5 × 13 × 9 cm (ink), 11 × 30.5 × 27 cm (box)
Photo © Ruizhe Liang

MIRKO BASELGIA
Landscape of growing I, 2017 (detail)
bronze (patina green)
77.5 x 56 x 4 cm
edition of 3 + 1 AP
Photo © Ruizhe Liang

MIRKO BASELGIA
Landscape of growing II, 2017 (detail)
bronze (patina dark)
77.5 x 56 x 5 cm
edition of 3 + 1 AP
Photo © Ruizhe Liang

CAO YU
VIDEOS
I Have, 2017 (Film Still)
single channel video (colour, sound)
3’
edition of 6 + 2 AP
Photo © Ruizhe Liang

2018 eröffnet die Galerie Urs Meile im 798 Art District Beijing neue Ausstellungsräume, da den Räumlichkeiten von Caochangdi vom Landeigentümer die “Heizung abgestellt” wurde (was den Betrieb im kalten Winter Nordchinas verunmöglicht). Zwar finden in Caochangdi weiter Sommerprogramme und das Artist-in-Residence Programm statt, aber in absehbarer Zeit wird das Gebiet wohl durch Umstrukturierungen verschwinden. Das ist etwas, das Urs Meile durch seine Zeit und Arbeit in China gelernt hat: Wenn man schlafen geht, muss man darauf gefasst sein, dass am nächsten Morgen alles wieder anders ist.

So geht das Abenteuer Tag für Tag weiter.

Report:

Download the report for free: http://scaa.ch/doc/report/ursmeile.pdf

More photos:

https://www.facebook.com/media/set/?set=a.520330175002570.1073741841.400289230339999&type=1&l=95980c7c02

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